Wetter: bewölkt, nachmittags meist Nieselregen 7 bis 8°
Tageskilometer: 125
Gesamt zurückgelegte Kilometer: 5674
Tages-Fahrzeit :5:38 h
Gesamte Fahrzeit: 289:51 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 22,2 km/h
Tageshöhenmeter: 1797
Gesamt Höhenmeter: 61648
Maximale Steigung 14%
Maximalpuls: 167
Durschnittliche Pulsfrequenz: 138
Heute fahre ich die letzten Kilometer in Schottland.

Nach einigen Kilometern durch die Cheviot Hills, gelange ich an einen Pass, der sich in weiten Serpentinen den Berg hochzieht und auf einem Aussichtspunkt gipfelt. Hier hat man nochmal eine weiten Blick über die Scottish Borders, die Gegend an der Grenze zu England, die sich vor allem durch sanfte grüne Hügel auszeichnet.

Am Aussichtspunkt steht ein Dudelsackspieler, der die Grenzüberschreiter begrüßt, bzw. in meinem Fall, verabschiedet. (Der spielt übrigens um Klassen besser, als die Straßenmusikanten in Edinburgh).
So stürze ich mich mit Dudelsackklängen im Ohr die folgende Abfahrt hinunter hinein nach England. Ein gewisses Hochgefühl stellt sich ein, denn nun habe ich Wales, Irland und Schottland „befahren“. Das gibt nochmal einen Schuss extra Motivation.
Wie sich schnell herausstellt brauche ich die auch. Denn ganz ehrlich, ohne diese Hochstimmung und zwei Ruhetage hinter mir, wäre ich wahrscheinlich am Hadrianswall links nach Newcastle abgebogen und hätte die nächste Fähre nach Hause genommen.

Ich hatte zwar schon sowas befürchtet, aber als es dann tatsächlich eintritt, bin ich doch etwas schockiert, ähnlich wie in Südengland. Denn die Straßen sind hier in Nordengland, den English Borders, genauso gebaut wie in Südengland. Ich kann's zunächst kaum glauben, in der Tat kann ich es an jedem Anstieg nicht glauben, bis ich oben bin und die kurze Abfahrt und die nächsten Anstiege sehe.

Es gibt nicht den geringsten Grund die Straßen hier so zu bauen, aber sie führen tatsächlich niemals zwischen zwei Hügeln hindurch, sondern den ersten strack hoch, strack runter, den zweiten strack hoch, strack runter. Und die Anstiege sind praktisch alle zweistellig. Man kann sich sowas nicht vorstellen, oder glauben, wenn man es nicht tatsächlich „erfahren“ hat. Ich bin heute wahrscheinlich 25, 30 oder noch mehr zweiprozentige Anstiege hochgefahren. Das schlimme daran, völlig ohne Grund. Einfach weil die Straßen absolut dämlich gebaut sind. Die Engländer scheinen noch nie davon gehört zu haben, dass man Brücken nicht nur baut um Wasser zu überqueren, dass man mit der Straße nicht jedes Loch nachvollziehen muss, sondern das einfach ein bisschen ausgleicht, dass man an der Bergkuppe einfach ein Stück wegbaggert (ich hätte ja gesagt sprengt, aber hier ist es ja nicht mal felsig, ein halber Tag Arbeit für einen Bagger und alles ist gut), dass man nicht strack den Berg hochfährt, sondern einfach schräg und schon hat man normale Steigungen, oder man fährt einfach ZWISCHEN den Hügeln hindurch. Das kann doch nicht so schwer sein??
Ich habe Engländer getroffen, die waren schockiert, dass ich durch Wales gefahren bin, oder beeindruckt, dass ich durch Schottland gefahren bin. Ich frage mich warum, denn das ist alles Kinderkram, gegen das was die Engländer machen. Nur hier hat es überhaupt keine Begründung, es gibt hier überhaupt keine Berge, und die Hügel sind eher kleiner wie in den Scottish Borders.

Das ist absolut frustrierend, und über dutzende Kilometer versuche ich eine logische Begründung zu finden, ohne Erfolg. Vielleicht soll die Straße möglichst gerade sein, damit sich das Militär schnell bewegen kann, das ist die einzige Begründung, die mir einfällt. Die Frage ist nur, warum dann manchmal eine Kurve gelegt wird um möglichst gerade (also steil) den Berg hochzufahren.
Wie gesagt, wenn ich nicht so gut drauf gewesen wäre, wäre ich einfach heute nach Hause gefahren. So beschließe ich nach der Isle of man zu entscheiden (wenn ich dorthin komme, denn durch die TT Motorradrennen könnten die Fähren und Hotels ausgebucht sein).
Angeblich ist es ja in Mittelengland flach, aber ich glaube nichts davon, es braucht nur kleine Hügel um giftige Anstiege sinnlos aneinanderzureihen.
Das klingt vielleicht nach jammern, aber in Südengland dachte ich noch ich sei vielleicht nicht in Form, oder „zu weich“ für die Tour, aber nachdem ich Schottland und Wales gefahren bin und fünfeinhalbtausend Trainingskilometer in den letzten neun Wochen zurückgelegt habe, weiß ich, dass das einfach dämlicher Straßenbau ist. Und ich bin nicht so dämlich, dass ich mich deshalb quäle. Das Problem ist nicht körperliche Anstrengung, sondern im Kopf zu verstehen, dass man nicht persönlich angegriffen wird, dass einen niemand speziell auf den Arm nimmt und dann die versteckte Kamera kommt. Wenn ich so eine Straße fahre, wächst mit jedem sinnlosen Hügel und noch sinnloseren Loch in das man hineinfährt der Frust.
Schönes Beispiel, wenn auch recht flach (man beachte das Loch ziemlich am Anfang, und den Knick vor dem Hügel um möglichst steil den Hang hinauf zu fahren...)

Anyway, nachdem ich meinen Frust hier im Blog abreagiert habe, gibt es auch Schönes zu berichten. Die Landschaft nämlich, durch die diese oben beschriebenen Straßen führen, sind sehr schön. Mir gefallen die English Borders eher besser wie der Süden Schottlands, der manchmal sehr an Mittelhessen erinnert hat (was nichts Negatives ist).


Die Fahrt führt nachdem der Hadrians Wall über die 68 erreicht ist an diesem entlang. Ich suche mir zwei Besichtigungspunkte heraus, nämlich Chesters und Housesteads. Zwei römische Forts, mit jeweils kleinen Museen dabei.
Chesters


Housesteads

Hadrians Wall


Nach meinen Besichtigungen fahre ich auf die 69, die auch am Hadrians Wall entlang bis zu meinem heutigen Ziel Carlisle führt. Hier entspannt sich das mit den Anstiegen etwas.

In Carlisle gibt es eine sehr interessante Kathedrale zu besichtigen. Da dort gerade zwei Chöre proben, ist sie auch noch auf, obwohl es schon nach sechs ist. Das Castle lasse ich aus, und schaue mir stattdessen noch etwas das Stadtzentrum an. Auffällig wie billig hier alles ist, der Tee nur 99 Pence, das Hotelzimmer 35 Pfund, für 8 Pfund bekomme ich ein richtiges Abendessen mit zwei Gängen, erstaunlich.





Das heute trotz der 1700 Höhenmeter ein Schnitt von über 22 km/h zustande gekommen ist hat seine Ursache in leichtem Rückenwind aus Osten auf der Strecke am Roman Wall entlang. Außerdem habe ich im Vergleich zum Start vier bis fünf Kilo weniger Gepäck (und selbst noch vier Kilo abgenommen). Und natürlich bin ich schlicht besser in Form wie am Start der Tour, wo bei ähnlichen Bedingungen öfter mal ein Schnitt um 17 km/h zu Buche stand.