Donnerstag, 4. Juni 2009

Tag 65 Jedburgh - Carlisle

Donnerstag 04.06.2009

Wetter: bewölkt, nachmittags meist Nieselregen 7 bis 8°
Tageskilometer: 125
Gesamt zurückgelegte Kilometer: 5674
Tages-Fahrzeit :5:38 h
Gesamte Fahrzeit: 289:51 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 22,2 km/h
Tageshöhenmeter: 1797
Gesamt Höhenmeter: 61648
Maximale Steigung 14%
Maximalpuls: 167
Durschnittliche Pulsfrequenz: 138


Heute fahre ich die letzten Kilometer in Schottland.


Nach einigen Kilometern durch die Cheviot Hills, gelange ich an einen Pass, der sich in weiten Serpentinen den Berg hochzieht und auf einem Aussichtspunkt gipfelt. Hier hat man nochmal eine weiten Blick über die Scottish Borders, die Gegend an der Grenze zu England, die sich vor allem durch sanfte grüne Hügel auszeichnet.


Am Aussichtspunkt steht ein Dudelsackspieler, der die Grenzüberschreiter begrüßt, bzw. in meinem Fall, verabschiedet. (Der spielt übrigens um Klassen besser, als die Straßenmusikanten in Edinburgh).

So stürze ich mich mit Dudelsackklängen im Ohr die folgende Abfahrt hinunter hinein nach England. Ein gewisses Hochgefühl stellt sich ein, denn nun habe ich Wales, Irland und Schottland „befahren“. Das gibt nochmal einen Schuss extra Motivation.

Wie sich schnell herausstellt brauche ich die auch. Denn ganz ehrlich, ohne diese Hochstimmung und zwei Ruhetage hinter mir, wäre ich wahrscheinlich am Hadrianswall links nach Newcastle abgebogen und hätte die nächste Fähre nach Hause genommen.


Ich hatte zwar schon sowas befürchtet, aber als es dann tatsächlich eintritt, bin ich doch etwas schockiert, ähnlich wie in Südengland. Denn die Straßen sind hier in Nordengland, den English Borders, genauso gebaut wie in Südengland. Ich kann's zunächst kaum glauben, in der Tat kann ich es an jedem Anstieg nicht glauben, bis ich oben bin und die kurze Abfahrt und die nächsten Anstiege sehe.


Es gibt nicht den geringsten Grund die Straßen hier so zu bauen, aber sie führen tatsächlich niemals zwischen zwei Hügeln hindurch, sondern den ersten strack hoch, strack runter, den zweiten strack hoch, strack runter. Und die Anstiege sind praktisch alle zweistellig. Man kann sich sowas nicht vorstellen, oder glauben, wenn man es nicht tatsächlich „erfahren“ hat. Ich bin heute wahrscheinlich 25, 30 oder noch mehr zweiprozentige Anstiege hochgefahren. Das schlimme daran, völlig ohne Grund. Einfach weil die Straßen absolut dämlich gebaut sind. Die Engländer scheinen noch nie davon gehört zu haben, dass man Brücken nicht nur baut um Wasser zu überqueren, dass man mit der Straße nicht jedes Loch nachvollziehen muss, sondern das einfach ein bisschen ausgleicht, dass man an der Bergkuppe einfach ein Stück wegbaggert (ich hätte ja gesagt sprengt, aber hier ist es ja nicht mal felsig, ein halber Tag Arbeit für einen Bagger und alles ist gut), dass man nicht strack den Berg hochfährt, sondern einfach schräg und schon hat man normale Steigungen, oder man fährt einfach ZWISCHEN den Hügeln hindurch. Das kann doch nicht so schwer sein??

Ich habe Engländer getroffen, die waren schockiert, dass ich durch Wales gefahren bin, oder beeindruckt, dass ich durch Schottland gefahren bin. Ich frage mich warum, denn das ist alles Kinderkram, gegen das was die Engländer machen. Nur hier hat es überhaupt keine Begründung, es gibt hier überhaupt keine Berge, und die Hügel sind eher kleiner wie in den Scottish Borders.


Das ist absolut frustrierend, und über dutzende Kilometer versuche ich eine logische Begründung zu finden, ohne Erfolg. Vielleicht soll die Straße möglichst gerade sein, damit sich das Militär schnell bewegen kann, das ist die einzige Begründung, die mir einfällt. Die Frage ist nur, warum dann manchmal eine Kurve gelegt wird um möglichst gerade (also steil) den Berg hochzufahren.

Wie gesagt, wenn ich nicht so gut drauf gewesen wäre, wäre ich einfach heute nach Hause gefahren. So beschließe ich nach der Isle of man zu entscheiden (wenn ich dorthin komme, denn durch die TT Motorradrennen könnten die Fähren und Hotels ausgebucht sein).

Angeblich ist es ja in Mittelengland flach, aber ich glaube nichts davon, es braucht nur kleine Hügel um giftige Anstiege sinnlos aneinanderzureihen.

Das klingt vielleicht nach jammern, aber in Südengland dachte ich noch ich sei vielleicht nicht in Form, oder „zu weich“ für die Tour, aber nachdem ich Schottland und Wales gefahren bin und fünfeinhalbtausend Trainingskilometer in den letzten neun Wochen zurückgelegt habe, weiß ich, dass das einfach dämlicher Straßenbau ist. Und ich bin nicht so dämlich, dass ich mich deshalb quäle. Das Problem ist nicht körperliche Anstrengung, sondern im Kopf zu verstehen, dass man nicht persönlich angegriffen wird, dass einen niemand speziell auf den Arm nimmt und dann die versteckte Kamera kommt. Wenn ich so eine Straße fahre, wächst mit jedem sinnlosen Hügel und noch sinnloseren Loch in das man hineinfährt der Frust.

Schönes Beispiel, wenn auch recht flach (man beachte das Loch ziemlich am Anfang, und den Knick vor dem Hügel um möglichst steil den Hang hinauf zu fahren...)

Anyway, nachdem ich meinen Frust hier im Blog abreagiert habe, gibt es auch Schönes zu berichten. Die Landschaft nämlich, durch die diese oben beschriebenen Straßen führen, sind sehr schön. Mir gefallen die English Borders eher besser wie der Süden Schottlands, der manchmal sehr an Mittelhessen erinnert hat (was nichts Negatives ist).



Die Fahrt führt nachdem der Hadrians Wall über die 68 erreicht ist an diesem entlang. Ich suche mir zwei Besichtigungspunkte heraus, nämlich Chesters und Housesteads. Zwei römische Forts, mit jeweils kleinen Museen dabei.

Chesters


Housesteads

Hadrians Wall


Nach meinen Besichtigungen fahre ich auf die 69, die auch am Hadrians Wall entlang bis zu meinem heutigen Ziel Carlisle führt. Hier entspannt sich das mit den Anstiegen etwas.


In Carlisle gibt es eine sehr interessante Kathedrale zu besichtigen. Da dort gerade zwei Chöre proben, ist sie auch noch auf, obwohl es schon nach sechs ist. Das Castle lasse ich aus, und schaue mir stattdessen noch etwas das Stadtzentrum an. Auffällig wie billig hier alles ist, der Tee nur 99 Pence, das Hotelzimmer 35 Pfund, für 8 Pfund bekomme ich ein richtiges Abendessen mit zwei Gängen, erstaunlich.





Das heute trotz der 1700 Höhenmeter ein Schnitt von über 22 km/h zustande gekommen ist hat seine Ursache in leichtem Rückenwind aus Osten auf der Strecke am Roman Wall entlang. Außerdem habe ich im Vergleich zum Start vier bis fünf Kilo weniger Gepäck (und selbst noch vier Kilo abgenommen). Und natürlich bin ich schlicht besser in Form wie am Start der Tour, wo bei ähnlichen Bedingungen öfter mal ein Schnitt um 17 km/h zu Buche stand.

Tag 64 Edinburgh - Jedburgh

Mittwoch 03.06.2009

Wetter: bewölkt teils sonnig um 14 bis 16°
Tageskilometer: 106
Gesamt zurückgelegte Kilometer: 5549
Tages-Fahrzeit :4:35 h
Gesamte Fahrzeit: 284:13 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 23,1 km/h
Tageshöhenmeter: 901
Gesamt Höhenmeter: 59851
Maximale Steigung 9%
Maximalpuls: 164
Durschnittliche Pulsfrequenz: 135


Nach zwei Ruhetagen geht es heute zunächst nach Newgrange, wo es das Scottish Miningmuseum zu besichtigen gibt. Die Ausstellung gibt zunächst einen guten Überblick über die Geschichte des Kohlenabbaus in Schottland, und beleuchtet neben technischen Details vor allem auch die sozialen Verhältnisse in denen die Arbeiter der Kohlenminen in unterschiedlichen Jahrzehnten bzw. Jahrhunderten gelebt haben. Eine stillgelegte Mine kann man auch besichtigen.


Von Newgrange geht es ins Abteiendreieck um Galashiels. In dieser Gegend waren einst einige prosperierende Abteien, die später von den Engländern zerstört wurden. Und die Ruinen dieser Abteien kann man heute noch bestaunen.


Galashiels

Auf dem Weg dorthin geht es zunächst an Abbotsford vorbei, einem Landsitz von Sir Walter Scott. Schön gelegen am Fluß Tweed, beeindruckt mich vor allem das Arbeitszimmer und die Bibliothek des Hauses. (Leider darf man keine Fotos machen)



Die erste Abtei, die auf dem Weg liegt ist die von Melrose. Manchmal sind die Ruinen solcher Gebäudekomplexe beeindruckender als die erhaltenen Gebäude. Melrose Abbey ist auf jeden Fall sehenswert.



Auf meinem weiteren weg nach Kelso liegt auch Dryburgh Abbey, wo Sir Walter Scott begraben liegt, aber erstens finde ich sie nicht, bwz. zweitens beschließe ich meine Suche nicht zu intensivieren, denn das Floor Castle bei Kelso, das ich gerne besichtigen möchte ist in Privatbesitz, d.h. meist „macht spät auf und früh zu“.


Genauso ist es auch, ich komme gut zehn Minuten zu spät um noch Einlass zu finden, so bleiben nur die Bilder von außen. Schade, aber eine Übernachtung ist mir das nicht wert, da es auch erst um elf wieder geöffnet ist. Ich schaue mir dafür noch Kelso an, ein ganz schönes Städtchen am Tweed, und auch hier gibt es eine Abtei Ruine.





Nach dem das Fahrrad an einer Tankstelle mit dem Dampfstrahler mal ordentlich vom Schmutz des Union Channels befreit wird, geht es weiter nach Jedburgh meiner heutigen Übernachtungsstation. Selbstverständlich gibt es auch hier vor dem Rückzug ins Zimmer ein Foto von der Abteiruine.



Mittwoch, 3. Juni 2009

Tag 63 Edinburgh

Dienstag 02.06.2009

Wetter: zunächst bewölkt, später teils sonnig um 15°
Ruhetag

Für heute ist nur das National Museum of Scotland und Fahrradpflege auf dem Programm. Leider wird das Museum gerade für 46 Millionen Pfund umgebaut, so dass nur ein kleiner Teil geöffnet ist. So lasse ich mich über die Geologie Schottlands und die frühen Menschen hier (von den ersten Spuren, über die Römer bis zum Mittelalter) belehren, und schaue mir die Errungenschaften des schottischen Autobaus an. Immerhin war Argyl kurzzeitig der größte Autobauer Europas, und mit Stewart gab es auch ein schottisches Formel 1 Team.



Highland Schwert...

Von der Dachterasse gibt es eine schöne Aussicht auf die Stadt.


Nachmittags repariere ich noch den schleichenden Platten an meinem Vorderrad, ein Tribut den ich dem Fahrradweg zollen musste. Gerade hier liegen immer die meisten Scherben und stacheligen Äste von Hecken und Sträuchern...

Es ist übrigens mein dritter Plattfuß, und alle drei waren schleichend, so dass ich sie relaxt im Zimmer oder vor dem Hotel reparieren konnte.

Tag 62 Edinburgh

Montag 01.06.2009

Wetter: sonnig um 19°
Ruhetag


Heute ist Ruhetag, und ich versuche unter 10 Kilometern Fußmarsch durch die Stadt zu bleiben, was mir wohl nicht ganz gelingt.



Zunächst gilt es die Old Town etwas zu erkunden. Der Palace of Holyrood House, der offizielle Sitz der Queen in Schottland, ist leider wegen anwesender Royals diese Woche für Besucher nicht zugänglich, also muss es ein Foto von außen tun. Gleich gegenüber ist das Schottische Parlament in einem modernen Gebäude untergebracht.



Viel Zeit verbringe ich dabei die Aussicht vom Calton Hill zu genießen. Das Nelson Monument wird gerade restauriert, und ist deshalb hinter dem Gerüst nicht zu sehen, aber die aus Geldmangel unvollendete Kopie des Parthenon, das National Monument ist ein gutes Fotomotiv. Das besondere hier ist aber die fantastische Aussicht auf den Firth of forth und die Stadt.






Wieder unten in der Stadt geht es über die Princessstreet, hier stehen nicht nur einige interessante Monumente, wie das für Sir Walter Scott (eine Statue hat es nicht getan, musste schon eine „gothic rocket“ sein...), oder das Balmoral Hotel, das schlicht monumental ist.




Ich lege noch einige Kilometer in der Stadt zurück, u.a. am Grassmarket, und kaufe Ersatzschläuche, T-Shirts usw.




Ein Friseurbesuch ist auch fällig, was ja immer ein bisschen ein Risiko ist. Was ich bisher so gesehen hatte lag immer zwischen 20 und 40 Pfund für einen einfachen Herrenhaarschnitt. In der Nähe des Grassmarket finde ich einen Barbershop, und ein junger Typ, der ziemlich nach Eminem aussieht lässt mich zunächst etwas zögern. Aber ich riskiere es, und Eminem erweist sich als unerwarteter Meister seines Fachs. Und er will nur 4 Pfund für seine Arbeit. Ich verzichte auf das Wechselgeld, denn das war wirklich zu günstig.

Abends geht es noch in den Leisure club des Hotels, das Gym gibt nicht soviel her, aber um mal wieder andere Muskeln zu spüren als die der Beine reicht es. Ein kleines Schwimmbad gibt’s auch, allerdings ist man mit einem Zug Brust quer und zwei zügen längs durch, so dass ich nur ein paar Minuten etwas plansche und dann in der Sauna noch etwas mit einem Flugbegleiter der Britisch Airways flirte. Ich beschließe aber auf meiner Seite des Flusses zu bleiben und heute abend mal das Nachtleben Edinburghs zu erkunden, was sich aber zerschlägt nachdem ich erst mal mein Zimmer erreicht habe. Früh ins Bett, lang schlafen, es gilt einiges aufzuholen.